Israel als Steuerparadies ?
Von Joseph Shefet *
Israel als Steuerparadies vorzustellen, scheint zunächst paradox. Wie kann ein Staat ein Steuerparadies sein, dessen Einwohner 50% Einkommensteuer auf jeden Dollar zahlen, den sie mehr als die ersten vierzigtausend Dollar im Jahr verdienen (welche mit etwas gemässigteren Steuersätzen belegt sind)? Einer der grossen Nachteile der Staaten, die Steuerparadiese sind, besteht darin, dass sie als solche "verrufen" sind.
Diese Steuerparadiese zu nutzen - d.h. mittels dort gegründeter Gesellschaften Geschäfte zu tätigen - führt zu einem Augenzwinkern seitens der Geschäftsleute, mit denen man arbeitet, aber ausserdem, was viel unangenehmer ist, dass man die besondere Aufmerksamkeit der Behörden in dem "normalen" Land, dem man seine Steuererklärungen unterbreitet, auf sich zieht. Der Staat Israel ist daher ein gutes Steuerparadies - wenn wir zu der Schlussfolgerung kommen, dass er tatsächlich ein solches ist (nicht für die Einwohner Israels ! nur für Fremde) - da er nicht im "Ruf" eines solchen steht und also kein besonderes und unerwünschtes Interesse der Steuerbehörden in den "normalen" Staaten auf sich lenkt.
Wenn hier von Staaten die Rede ist, sie als Steuerparadiese gelten, sei zwischen zwei grundlegend verschiedenen Arten von "Servicen" zu unterscheiden, die solche Staaten anbieten.
(A) Man muss keine, oder nur sehr geringe Steuern auf Aktivitäten innerhalb des Gebietes des betreffenden Staates entrichten. (B) Es werden keine, oder nur sehr geringe Steuern auf Gewinne von Gesellschaften erhoben, die in diesen Staaten gegründet wurden, jedoch ausserhalb der Grenzen des Gebietes tätig sind, in dem sie gegründet wurden.
Mit gewissen Einschränkungen kann Israel in beiden Hinsichten als Steuerparadies angesehen werden. Dieser Artikel behandelt jedoch nicht die Möglichkeit, in Israel mit der Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeit innerhalb des Landes Zuflucht zu finden (dies geschah durch eine besondere Gesetzgebung, vor allem das Gesetz über den Ansporn von Kapitalinvestition aus dem Jahre 1959). Vielmehr wird er die Möglichkeiten prüfen, wie man Gesellschaften, die in Israel gegründet wurden - und ausserhalb des Landes tätig sind ! - genauso als Instrumente des Steuerparadieses nutzen kann wie Gesellschaften, die in Panama, Liberia, den British Virgin Islands, den englischen Kanalinseln (Jersey und Guernsey) u.s.w. gegründet wurden.
Wie bereits erwähnt, ist es von bedeutendem Nachteil für Gesellschaften, die in den soeben aufgeführten und den vielen anderen Staaten gegründet wurden, die zu der nicht sehr ehrenswerten "Gruppe" derer gehören, deren Name allen Steuerbehörden der Welt bekannt ist. Dieser Nachteil besteht darin, dass alle die, die eben nicht verstehen sollen - also die Steuerbehörden - eben ja verstehen, dass eine Gesellschaft, die in einem solchen Staat gegründet wurde, dem Versuch dient - manchmal äusserst dreist - die Steuerlast zu mindern. Zu unserem Bedauern befindet sich Israel nicht selten auf "schwarzen Listen" verschiedener Art, aber alle sind sich darüber einig, dass es nicht auf der schwarzen Liste jener Staaten steht, in denen Gesellschaften gegründet werden, um sie als Instrumente des Steuerparadieses zu nutzen.
Das Prinzip der Steuermethode in Israel, welches einer israelischen Gesellschaft ermöglicht, Instrumente eines Steuerparadieses zu sein, ist folgendes: der Staat erhebt keine Einkommensteuer auf Tätigkeiten, die ausserhalb Israels stattfinden, selbst wenn sie von einer in Israel gegründeten Gesellschaft ausgeführt werden (oder von einer Person mit israelischer Staatsbürgerschaft). Dieses Prinzip ist in 2 des israelischen Einkommensteuergesetzes festgelegt, das besagt, dass ein Einkommen israelischer Steuer nur dann unterliegt, wenn es "in Israel gewachsen ist, geschaffen oder erhalten wurde". Anders oder deutlicher ausgedrückt bedeutet dies: eine israelische Gesellschaft, die jedwege Gewinne ausserhalb Israels macht, wird in Israel nicht steuerpflichtig. Übrigens, umgekehrt bedeutet dieses Prinzip, dass ein in Israel gewachsenes oder geschaffenes Einkommen im Prinzip in Israel steuerpflichtig ist, selbst wenn es sich um das Einkommen einer nicht israelischen Körperschaft handelt.
Steuerspezialisten auf der ganzen Welt unterscheiden zwischen Staaten, die Steuern nach territorialer Methode auferlegen - wie Israel, wo die Steuer auf das Einkommen erhoben wird, das in Israel gewachsen ist, geschafffen oder erhalten wurde - und Staaten, die Steuern nach personaler Methode erheben - wie die Vereinigten Staaten, nach deren Gesetz jeder amerikanische Staatsbürger und jeder in den U.S.A. gegründete Gesellschaft prinzipiell in bezug auf ihre Einkünfte steuerpflichtig sind, nicht nur innerhalb der Vereinigten Staaten, sondern überall auf der Welt. (Um genau zu sein: Die U.S.A. sind eine Steuerhölle - im Gegensatz zum Steuerparadies - denn dort wird zusätzlich zur Besteuerung nach personaler Methode auch noch eine territoriale erhoben, so dass Einkünfte mit amerikanischer Steuer belegt werden, die von Nicht-Amerikanern in den Vereinigten Staaten gemacht wurden).
Von der Regel, nach der Einkünfte einer israelischen Gesellschaft in Israel nicht steuerpflichtig sind, wenn deren Ursprung sich nicht in Israel befindet, besteht eine einzige, in diesem Zusammenhang wichtige, Ausnahme, die in 5(1) des israelischen Steuergesetzes festgelegt ist und die besagt, dass das Einkommen eines Unternehmens, dass sich ausserhalb Israels befindet, als Einkommen des Unternehmens in Israel angesehen wird, wenn seine "Kontrolle und Leitung" in Israel ausgeübt werden. Diese Ausnahme besitzt keine Gültigkeit für Nicht-Israelis, deren Aktivitäten ausserhalb Israels stattfinden, aber auch nicht für israelische Firmen, deren Eigentümer Einwohner Israels sind und die israelische Staatsbürgerschaft besitzen, unter der Voraussetzung, dass Kontrolle und Leitung der Geschäfte ausserhalb Israels ausgeübt werden. (5(1) fördert den Tourismus von Israelis ins Ausland, denn Kontrolle und Leitung ausserhalb des Landes wird durch Abhalten der Sitzungen der Aktionäre und des Vorstandes im Ausland bewerkstelligt).
Ein Staat, der Gesellschaftsgründungen anbietet, die ein Steuerparadies sind, ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Gesetz sie schützt, wenn die Besitzer der Gesellschaft nicht wollen, dass ihre Namen in der Öffentlichkeit bekannt werden. Und in der Tat wird das israelische Handelsgesetz diesem Anspruch gerecht: 63 des israelischen Handelsgesetzes besagt, dass in jedem Fall, in dem ein Treuhänder für einen Begünstigten Aktien einer Gesellschaft hält, im öffentlichen Handelsregister des Staates Israel lediglich der Treuhänder einzutragen ist und die Eintragung des Begünstigten verboten ist !
Das israelische Gesetz löst auch das mit der Tatsache verbundene Problem, dass die meisten Erdenbürger der hebräischen Sprache nicht mächtig sind. Der israelische Staat hat drei offizielle Sprachen: hebräisch, arabisch und englisch. Es ist daher erlaubt, dem offiziellen Registrator im Handelsregister des Staates Israel Dokumente in jeder der drei Sprachen vorzulegen. In anderen Worten bedeutet dies, dass eine in Israel eingetragene Gesellschaft sämtliche Dokumente auf englisch vorbereiten kann: sowohl die Gründungsdokumente, als auch alle Protokolle, die im Laufe der Jahre anfallen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass zwar die offizielle Eintragungsurkunde der Gesellschaft (die das Wappen des Staates Israel ziert) auf hebräisch ausgestellt wird, der Name der Gesellschaft jedoch auch auf englisch eingetragen wird (sollten die Eintragungsdokumente auf englisch sein).
Das israelische Handelsgesetz fordert nicht, dass eine in Israel gegründete Gesellschaft israelische Besitzer oder israelische Direktoren hat. Dass israelische Direktoren nicht verlangt werden, ist besonders wichtig im Hinblick auf den Brauch einiger Staaten von Steuerparadiesgesellschaften, Gelder derer Nutzniesser zu "rauben", indem sie ortsansässige Direktoren postulieren, die natürlich jedes Jahr viel Geld kosten.
Die einzige Verbindung mit Israel, die das israelische Handelsgesetz fordert, ist ein "eingetragenes Büro" der Gesellschaft in Israel. Es handelt sich dabei nicht um ein Büro, in dem die Geschäfte der Gesellschaft geführt werden, (ein solches Büro kann überall auf der Welt sein), sondern um eine formelle Anschrift, an die man offizielle, für die Gesellschaft bestimmte Dokumente schicken kann, wie z.B. die jährliche Gebührenerhebung des offiziellen Handelsregisters (die heute noch unter $ 200.-- liegt).
Eine weitere finanzielle Ersparnis ist die Tatsache, dass das israelische Handelsgesetz keinerlei Mindestkapital für eine Gesellschaft vorschreibt. Eigentlich werden die meisten Gesellschaften in Israel mit einem unwesentlichen Kapital von einigen Dollars gegründet, und die ihnen zufliessenden Gelder stammen aus Anleihen der Besitzer.
Das israelische Recht fordert auch keinen Rechnungsprüfer, denn der Jahresbericht, den die Gesellschaften dem offiziellen Registrator im Handelsregister vorzulegen haben (solange es sich nicht um eine öffentliche Gesellschaft handelt), muss nur eine Anzahl grundlegender Einzelheiten erhalten, wie etwa die Anschrift des eingetragenen Büros.
Es bleibt nur noch ein weiterer Faktor (ausser dem bereits erwähnten Steuerbeamten und dem Handelsregister) zu prüfen, wie er auf die Benutzung einer in Israel gegründeten Gesellschaft als Instrument eines Steuerparadieses reagiert, und das ist der Devisenkontrolleur in der Zentralbank Israels.
Bekanntlich werden ja in Israel seit der Staatsgründung im Jahre 1948 (und de facto noch zuvor, in der britischen Mandatszeit) Devisen kontrolliert. Diese Kontrolle schliesst auch die Forderung ein, nach der eine in Israel gegründete Gesellschaft eine Bewilligung einholen muss, um ausserhalb Israel tätig zu werden.
Zum Schluss möchte ich noch einen wichtigen Punkt hervorheben. Alles hier gesagte gilt nicht für Aktionäre einer israelischen Gesellschaft, die selbst israelische Staatsbürger sind. Diese Tatsache erweckt bei mir Überlegungen im Zusammenhang mit Leviticus XXIV, 22: "Es soll ein und dasselbe Recht unter euch sein, für den Fremdling wie für den Einheimischen; ich bin der Herr, euer G'tt". Mir scheint, das Prinzip der Gleichheit von Israelis und Fremden wird hier in eine unerwartete Richtung übertreten: Die Fremden gelten in Israel mehr - zumindest, was das Steuerparadies angeht.