Halt in Bat Ayin | |
Von Roland S. Süssmann | |
In dem Zeitpunkt, da die Rückzugspolitik der Regierung Rabin in den Gebieten selbst zur Anwendung kommen wird, können der Mut und die Entschlossenheit der in Judäa, Samaria und im Gazastreifen lebenden israelischen Juden nur Bewunderung hervorrufen. Auf unserer Reise durch diese jüdischen Gebiete haben wir heute einen Zwischenhalt in BAT AYIN eingeschaltet, einem kleinen Dorf, das von ungefähr 60 Familien bewohnt wird und auf den trockenen Hügeln Judäas nur wenige Kilometer von Jerusalem entfernt zwischen Bethlehem und Hebron, der zweiten heiligen Stadt des Judentums, liegt.
Bat Ayin unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den anderen jüdischen Städten und Siedlungen der Gebiete: durch ihre geografische Situation, die Architektur der Häuser und vor allem durch ihre Bevölkerung. Um den Geist besser zu verstehen, der die Bewohner von Bat Ayin beseelt, haben wir uns in diesen Ort begeben und einen der Gründer getroffen, ISRAEL HOROVITZ, dessen Lebensgeschichte die Vergangenheit, die Motivation und die Lebensphilosophie der meisten in Bat Ayin lebenden Frauen und Männer widerspiegelt. Der Fallschirmjäger und Akademiker Israel Horovitz wurde in den 40er Jahren im Kibbuz Yiftach in Galiläa geboren. Seit jeher befand er sich auf der Suche nach der absoluten Wahrheit. Obwohl er von Kindsbeinen an mit den traditionellen linksradikalen Forderungen, im wissenschaftlichen Denken und in der reinen Logik aufwuchs, fand er in diesen Dogmen keine befriedigende Antwort auf seine Fragen. Er beschloss, die Suche nach dieser berühmten Wahrheit aufzunehmen. Er verliess Israel und reiste nach Indien, in den Himalaya und nach Japan, wo er nacheinander mehrere orientalische Religionen studierte und sogar Anhänger eines Gurus wurde. Nach über zehnjährigen Bemühungen begriff Israel Horovitz, als er in einer Höhle in Israel meditierte, dass die fernöstlichen Religionen sich zwar alle irgendwie glichen, dass sie aber seine existentiellen Fragen nicht beantworten konnten. Es wurde ihm plötzlich klar, dass es nur eine echte Wahrheit gab, das Judentum. Er begann also, sich mit dem Studium des Judentums zu befassen und besuchte dazu die Jeschiwoth von Bene Berak und Mea Schearim. Auch wenn ihm das eigentliche Studium zusagte, so konnte er sich mit der Mentalität, die an diesen Instituten herrschte, nie richtig anfreunden. Da er jedoch über ein fundiertes Allgemeinwissen im weltlichen Bereich verfügte und ihn seine fernöstlichen Erfahrungen nicht gleichgültig gelassen hatten, litt Israel Horovitz recht bald unter der erstickenden Enge. Er fühlte ausserdem den Ruf der Erde, da er der Ansicht war, der Mensch müsse von seiner Arbeit leben und sein tägliches Brot im Schweisse seines Angesichts verdienen. Für ihn und die anderen, welche 1989 Bat Ayin gründeten, lässt sich der Zyklus des gesunden Lebens folgendermassen zusammenfassen: der Mensch sät Getreide aus, bewirtschaftet seine Äcker, erntet den Weizen, bäckt damit sein Brot, segnet es und isst es. Weil er und seine Gleichgesinnten in der herkömmlichen israelischen Gesellschaft, weder im orthodoxen noch im weltlichen Milieu, eine zufriedenstellende Atmosphäre vorfanden, beschlossen sie, mit der Gründung von Bat Ayin ihr eigenes "Klima" zu schaffen. Eine kleine Gruppe von Männern und Frauen mit einem gemeinsamen Ideal, das aus einem Leben in tiefer Verbundenheit mit dem Land Israel, dem jüdischen Wissen und der Spiritualität des Judentums und einer harmonischen Verbindung dieser Werte im Alltag besteht, taten sich mit dem Ziel zusammen, eine Gemeinschaft zu schaffen, in welcher dieser Lebensstil sich frei entfalten konnte. Ebenfalls Teil ihres Ideals war eine Form des gesunden Lebens auf der Grundlage einer organischen Landwirtschaft ohne chemische Schutzmittel in der Ehrfurcht vor G'tt und der Natur. Für die Einwohner von Bat Ayin bedeutet ein authentisches jüdisches Leben das Wohnen jenseits der grünen Linie. Israel Horovitz und seine Freunde sind der Ansicht, dass die Niederlassung in den Gebieten eine aktive Demonstration des Rechts der Juden darstellt, überall in Israel und auf dem gesamten, ausschliesslich den Juden gehörenden Staatsgebiet zu leben und zu gedeihen. Anders als in den übrigen Judäa-Samarias und Gazas stehen die Häuser hier nicht dicht nebeneinander, sondern eher verstreut. Bat Ayin, im Stil der Hippie-Gemeinschaften der 60er Jahre in Kalifornien konzipiert, besitzt seinen eigenen Mikve (rituelles Bad) in einer natürlichen Quelle in der freien Natur. Zu den meisten Häusern gehört ein Hühnerhof und ein Obstgarten. Besonders interessant ist die Tatsache, dass die Einwohner nie arabische Arbeitskräfte, sondern sowohl im Bauwesen als in der Landwirtschaft nur Juden einstellen. Aussergewöhnlich ist in Bat Ayin daneben, dass es keine ausschliessliche Schlafstadt ist, deren Bewohner in Jerusalem oder in den Ortschaften der Umgebung arbeiten. Die berufliche Tätigkeit findet in Bat Ayin selbst statt, sei es im landwirtschaftlichen Bereich, in der Informatik oder im Schulwesen. Der über mehrere Hügel verstreut liegende Ort, die reine, frische Luft der Berge Judäas sowie die Schönheit der Landschaft geben dem Besucher das Gefühl, einen Augenblick der Ewigkeit auf einem neuen Planeten zu erleben, auf dem alles nur Geist ist. Dies ist aber nur eine Illusion. Die in Bat Ayin lebenden Männer gehörten alle der militärischen Elite Israels an, stehen mit beiden Beinen auf der Erde und sind fest entschlossen, ihr Projekt erfolgreich zu Ende zu führen, trotz aller Schwierigkeiten, mit denen sie aufgrund der Politik der gegenwärtigen israelischen Regierung konfrontiert werden. Sie verkörpern ganz offensichtlich eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die sich sowohl für das Land Israel als auch für das gesamte jüdische Kulturgut einsetzen. Wie reagieren Sie gegenüber dem sogenannten "Friedensprozess" und wie beurteilen Sie Ihre Zukunft ? Wir sind zutiefst beunruhigt. Gestatten Sie mir ein Gleichnis: wir sitzen alle in einem Auto, in dem die Regierung Rabin am Steuer sitzt und mit aller Kraft das Gaspedal betätigt, um noch schneller den untersten Abgrund zu erreichen. Sie will und kann nicht mehr bremsen. Es gibt keine Möglichkeit, den Wagen anzuhalten, und daher besteht die einzige Überlebenschance darin, "aus dem fahrenden Auto zu springen". Für uns ist der Zeitpunkt gekommen, da wir uns zwischen richtig und falsch entscheiden müssen. Das jüdische Volk befindet sich nicht das erste Mal in dieser Situation. Zu biblischen Zeiten folgten sich die Kriege im Abstand von jeweils vierzig Jahren. Jede neue Generation vergass das Unglück und die Leiden des letzten Kriegs. Heute leben wir in einer ähnlichen Epoche. Die "neue" Generation von Israelis weiss nicht mehr, was die Schoah war. Sie hat bisher nur einen starken und sicheren Staat gekannt. Aus Stolz wendet sie sich vom Judentum ab und beginnt "andere Götter" zu verehren. Itzchak Rabin und Schimon Peres verkörpern perfekte Beispiele für die alle Grenzen überschreitende Verweltlichung. Sie sind stolz auf ihr "universelles" Wissen, auf ihre Offenheit im europäischen Stil, die so wichtig sind, dass für das jüdische Element kein Platz mehr bleibt. Sie vergessen, dass sie für ihre Gesprächspartner nichts weiter als "kleine Juden" sind. Vielleicht stehen wir wieder am Ende einer Zeit der Ruhe und des Friedens. Wir jedoch haben nun eine Aufgabe zu erfüllen. Wir müssen heute in erster Linie unsere Präsenz hier verstärken, indem wir unseren Nachbarn zu verstehen geben, dass wir uns für immer in diesem Ort niedergelassen haben und trotz aller Schwierigkeiten bleiben werden. Daneben sind wir verpflichtet, die Israelis und das gesamte jüdische Volk vor der Notsituation, die uns bedroht, und vor den Gefahren, die uns der gegenwärtig stattfindende Prozess bringt, zu WARNEN. Der Augenblick der Wahrheit ist gekommen, und das israelische Volk wird sich bald zwischen einem zutiefst jüdischen, starken Staat und einer weltlichen, vollständig assimilierten oder von der nahöstlichen Umgebung gar verschluckten Nation entscheiden müssen. Die gegenwärtige Regierung möchte um jeden Preis einen Erfolg verzeichnen können und geht davon aus, dass wir die Währung zur Garantie dieser Transaktion darstellen. Sie ist sogar bereit, uns zu diesem Zweck fallenzulassen. Diese Rechnung wird jedoch wegen unserer geistigen und physischen Stärke nie aufgehen. Wir haben nicht die Absicht, gegen die anderen Juden zu kämpfen. Wenn die Armee uns umsiedeln will, werden wir keinen Millimeter weichen; wenn sie uns mit Stöcken angreift, greifen auch wir zu unseren Stöcken... Denken Sie, dass die Regierung alles unternimmt, um Ihnen das Leben zu erschweren ? Daran besteht kein Zweifel. Dies ist Teil ihrer Politik, um uns in die Knie zu zwingen. Wir sind aber bereit, nicht nur für unsere Familien zu kämpfen, sondern auch für die gesamte jüdische Nation. Wir besitzen ein Ideal und glauben an G'tt. Unsere Referenz ist die Bibel und wir leben nach ihren Grundsätzen. Sie ist auch unsere Quelle der Hoffnung und gibt uns die Gewissheit, dass sich letztendlich alles zum Guten wenden wird. Trotz aller Scherereien der Regierung, trotz aller Hindernisse entwickeln wir uns grossartig; für jeden Wohnwagen liegen heute drei Bewerbungen vor ! Die Regierung fordert die Abtretung eines immer grösseren Territoriums unseres heiligen Landes und des jüdischen Lebens in diesen Regionen. Die Grenzen ihrer Politik des Verzichts sind noch nicht festgelegt worden : werden sie bis Jerusalem oder bis Ramat Aviv, bis zum Haus Itzchak Rabins reichen ? Ich wage nicht daran zu denken, wie die Araber reagieren werden, wenn die israelische Regierung ihre Zustimmung zu den Konzessionen verweigert... Heute gelten wir als die "Juden unter den Juden", und die Ermordung eines in Judäa-Samaria oder Gaza lebenden Juden verkörpert psychologisch kein wirkliches Verbrechen mehr. Wir erleben aber eine allmähliche Expansion, wir haben viele Kinder und immer zahlreichere Juden möchten sich bei uns niederlassen. Um von uns akzeptiert zu werden, müssen sie unseren Lebensstil und unsere geistige Einstellung übernehmen wollen und die Regeln befolgen, welche die Harmonie unseres Dorfes sichern. Könnten Sie hier auch unter der Verwaltung der PLO weiterleben ? Ja ! Es wäre bestimmt nicht einfach. Wir wissen, wie wir uns schützen, wie wir unsere Frauen und Kinder vor Gefahren bewahren können. Wir sind es gewohnt, mit den Arabern auszukommen. Sie sind unsere Nachbarn und wissen sehr wohl, was ihnen noch gestattet ist und wo die Verbote anfangen. Noch vor kurzem hätten es unsere unmittelbaren arabischen Nachbarn nie gewagt, sich Bat Ayin zu nähern. Seit kurzem sind sie wieder frecher geworden, ermutigt durch die Politik unserer Regierung und gewisse Elemente der Armee, und haben uns Ziegen gestohlen. Wir haben bei der Polizei anhand von Beweismaterial Anzeige erstattet. Weder die Polizei noch die Armee haben eingegriffen. Wir haben uns also direkt an sie gewendet und ihnen erklärt, dass die alten Regeln immer noch gültig seien und es nicht in ihrem Interesse läge, unser Recht zu verletzen. Von diesem Tag an hat sich die Lage beruhigt. Es geht wohlverstanden nicht darum, die Justiz zu ersetzen oder selbst Recht zu schaffen, doch wir brauchen Schutz, und wenn die jüdische Regierung ihre Pflicht nicht erfüllt, müssen wir selbst mit unseren Nachbarn zurechtkommen, selbstverständlich ganz und gar im Rahmen des Gesetzes. Bat Ayin verkörpert ein einzigartiges menschliches Experiment in Israel, das mit den Kibbuzim oder Moschavim nichts gemein hat. Die Gründer und Einwohner möchten ihr Leben im Rahmen des Dorfes erbauen und errichten, ohne in praktischer, intellektueller oder religiöser Hinsicht ein Ghetto daraus zu machen. Ein realitätsnahes, gesundes Leben, das auf dem Studium der Torah, der tiefen Verbundenheit mit dem Land Israel, der Ausdehnung der Familie und den Werten des Judentums beruht. Sie möchten auf diese Weise ihren Teil beitragen zur Stärkung Israels, des jüdischen Volkes und der jüdischen Nation, sowie zur soliden Verwurzelung der jüdischen Bevölkerung im Heiligen Land. SCHLOMO TSCHOK, Landwirt, Lehrer und Dichter, lebt seit 1990 mit seiner Frau und seinen sieben Söhnen im Alter von 12 Jahren in Bat Ayin. Als philosophischer Mensch arbeitet er in seinem Garten und hört sich dabei einen Kurs über das Judentum oder über die Philosophie des Absurden von Albert Camus an. Schlomo hat sich für Bat Ayin entschieden, weil er sich das Leben in einer Gemeinschaft wünschte. Er ist überzeugt, dass jedes Mitglied, vom stärksten bis zum schwächsten, eine Ermutigung darstellt. Seiner Ansicht nach bestärkt die jüdische Präsenz in den Gebieten die gesamte jüdische Nation. Die jüngsten politischen Ereignisse beunruhigen ihn, doch er glaubt unerschütterlich an das ewige Fortbestehen Israels. Er fühlt in seinem Innersten, dass die Botschaft des Judentums die einfache Frage nach der Existenz des Individuums oder der Gemeinschaft bei weitem übersteigt. Die Themen seiner Gedichte stammen sowohl aus dem Judentum als auch aus dem täglichen Leben. Sein erster Gedichtband in hebräisch wird demnächst herausgegeben. Rabbiner DANIEL COHEN ist amerikanischer Herkunft, Vater von fünf Kindern und lebt seit 16 Jahren in Israel. Er gehörte zu den sechs Familien, die 1989 Bat Ayin gegründet haben. Er ist sehr aktiv in der Erziehung tätig und richtet sich dabei nicht nur an die Einwohner von Bat Ayin, sondern auch an einen grossen Teil der israelischen Bevölkerung. Zusammen mit seiner Frau organisiert Rabbiner Cohen Informationsseminare über das Judentum in Bat Ayin selbst, sowie Schabbatot zur Information der jungen Israelis. Er möchte am Schabbat nach Israel reisende jüdische Studiengruppen empfangen und er will seine Gemeinde in die Aktivitätenliste der verschiedenen Jugendprogramme aufgenommen wird. "Die Entscheidung, in Bat Ayin zu leben, verkörpert ein sehr starkes Engagement für sämtliche Anliegen der Juden. Die besondere Beziehung, die in unserer Lebensphilosophie herrscht und Torah und das Land von Eretz Israel eng miteinander verbindet, spricht eine bestimmte Schicht der israelischen Gesellschaft an. Im vergangenen Jahr haben wir 30 Anfragen betreffend eine Niederlassung erhalten und davon 15 akzeptiert. Wir möchten Männer und Frauen hier empfangen, die unser Ideal teilen und bereit sind, sich ungeachtet aller Schwierigkeiten an das Land Israel zu klammern". Der arabische Terrorismus stellt eine tägliche Gefahr für die Kinder von Bat Ayin dar, die in einer Siedlung der Umgebung zur Schule gehen. Daher möchte Rabbiner Cohen in Bat Ayin selbst eine Primarschule gründen und versucht, die notwendigen Mittel dafür zusammenzutragen. Wir können unseren Lesern nur empfehlen, Ihren Beitrag an folgende Adresse zu schicken: Rabbiner Daniel Cohen - Bat Ayin / Gusch Etzion / Israel. |