Ausgezeichnete Zusammenarbeit | |
Von Roland S. Süssmann | |
"Um Haaresbreite wäre dieses Interview nicht zustande gekommen...". Mit diesen Worten hiess uns S.E. UZI MANOR, israelischer Botschafter in Thailand und Kambodscha, zusammen mit seiner Frau Noemi lächelnd in seiner Residenz in Bangkok willkommen. Einige Tage zuvor war in der Tat eine in einem Lastwagen versteckte Bombe mit extrem hohem Sprengsatz in der Nähe des Botschaftsgebäudes entdeckt worden. Natürlich handelte es sich hierbei um einen vereinzelten Vorfall, doch seit jenem Tag wurden die Sicherheitsvorkehrungen in der Umgebung der Botschaft verstärkt.
Wie würden Sie die Beziehungen zwischen Thailand und Israel definieren ? Der Kontakt, der zwischen beiden Ländern gepflegt wird, ist ausgezeichnet. Bis zum heutigen Tag hat Thailand allerdings keinen eigenen Botschafter nach Israel gesandt. Für die Beziehungen zu unserem Land ist die Botschaft in Rom zuständig, doch es besteht eine Geschäfts- und Regierungsvertretung in unserem Land mit Büros in Tel Aviv. Die Beziehungen werden in erster Linie vom Handel geprägt, der 1993 den Betrag von 138 Millionen US$ erreichte, was einem Zuwachs von 59% im Vergleich zu 1992 entspricht. Im selben Zeitraum wurden für 99 Millionen US$ thailändische Güter nach Israel importiert, 28% mehr als im Vorjahr. Folgende thailändischen Produkte werden nach Israel eingeführt: 11% Pflanzen und Vegetabilien, 13% verarbeitete Nahrungsmittel, 27% landwirtschaftliche Erzeugnisse und Viehfutter, 49% Metalle und Edelsteine, wobei der grösste Teil aus Diamanten besteht, da Israel die Rohsteine liefert, die hier geschliffen werden, bevor sie wiederum nach Israel exportiert werden. 1993 wiesen die israelischen Exporte nach Thailand folgende Verteilung auf: 54% Metalle und Edelsteine, wobei 22% auf Diamanten entfielen, 27% Werkzeugmaschinen, 8% chemische Produkte und der Restbetrag diverse Materialien. Unsere Handelsbeziehungen erfreuen sich einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Unsere Botschaft besitzt sogar den Posten eines Handelsattachés, was die Bedeutung des sich weiterentwickelnden Austauschs zwischen den beiden Ländern beweist. Der thailändische Wirtschaftsraum stellt in unseren Augen einen bedeutenden Absatzmarkt für israelische Exporte dar, erschliesst uns aber auch alle Märkte der anderen Länder dieser Region, die früher Indochina genannt wurde. Wir unterhalten diplomatische Beziehungen zu Laos, Kambodscha, Vietnam, Nepal, Birma (Myanmar) und China. Am 10. Dezember 1993 feierte EL AL ihren ersten Direktflug Tel Aviv - Bangkok. Es handelt sich hierbei ganz offensichtlich um einen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen beiden Ländern. Welche Auswirkungen besitzt diese sowohl symbolische als auch geschäftliche Entwicklung ? Eigentlich war schon 1972 zwischen Bangkok und Tel Aviv ein Abkommen über die gegenseitige Zusicherung von Landerechten unterzeichnet worden. Doch aus verschiedenen Gründen, insbesondere aus bestimmten politischen Überlegungen, konnte dieses Abkommen noch nicht verwirklicht werden. Die Einführung dieses Flugs mit Start am Donnerstag abend in Tel Aviv und Landung Freitag mittag in Bangkok, der Bangkok am Samstag abend wieder verlässt, um Sonntags in Tel Aviv zu landen, hat zur Förderung des Austauschs und zur Entwicklung der Beziehungen zwischen unseren Ländern in weitem Ausmass beigetragen. Dazu kommen einige Frachtflüge von EL AL, deren Frequenz erhöht werden soll. Diese direkten Flüge (einige mit Zwischenlandung in Bombay) ermöglichen die Verstärkung des Handels und tragen sehr dazu bei, die Reisen der Geschäftsleute zu erleichtern. Im Bereich des Fremdenverkehrs bleibt noch viel zu tun. 1993 reisten fast 24'000 Israelis nach Thailand, während weniger als 2'000 Thais Israel besuchten. Welches sind die Hauptbereiche, in denen die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern stattfindet ? Es existieren zahlreiche Projekte in den Bereichen Landwirtschaft und Wasserversorgung, bei denen Israel nicht nur aktiv an Ort und Stelle mitwirkt, sondern auch israelische Technologie weitervermittelt und nach und nach installiert. In diesem Zusammenhang möchte ich ein interessantes Beispiel zur Zwiebelproduktion in Thailand erwähnen. Die thailändischen Bauern bauten eine rasch verderbende Zwiebelsorte an, die sofort nach der Ernte verkauft werden musste, da sie danach nicht mehr essbar und daher auch nicht mehr zu verkaufen war. Vor einigen Jahren haben wir in enger Zusammenarbeit eine Zwiebelsorte entwickelt, die heute "long shelf life onion" (Zwiebel mit langer Lebensdauer im Regal" genannt wird. Diese Zwiebel kann während langer Zeit gelagert werden, bis die Marktbedingungen für den Verkauf günstiger geworden sind. Der grösste Teil der in Thailand produzierten Zwiebeln gehören heute dieser Kategorie an. Daneben bestehen gegenwärtig zahlreiche ähnliche Projekte für die Zusammenarbeit. Eine Reihe von israelischen Unternehmen hat sich hier niedergelassen und lässt regelmässig ihre Fachleute kommen, um an Ort und Stelle zu arbeiten und den thailändischen Bauern das israelische Know-how beizubringen. Viele Thais besuchen Kurse und Seminare in verschiedenen Bereichen in Israel selbst, aber wir organisieren auch diverse Lehrgänge in Thailand. Selbstverständlich bestehen ebenfalls akademische Austauschprogramme zwischen beiden Ländern. Wie steht es mit dem arabischen Boykott ? Es werden arabische Mittel in Thailand investiert und das Land importiert Erdöl aus Irak und Iran, doch wir haben die Auswirkungen des Boykotts weder direkt noch indirekt je gespürt. In Israel sind viele thailändische Arbeiter tätig. Weshalb müssen ausländische Arbeitskräfte eingeführt werden, wenn in Israel grosse Arbeitslosigkeit herrscht ? In welchen Bereichen werden sie gebraucht ? Zur Zeit ist die Zahl dieser Arbeiter sehr gering und beträgt höchstens fünftausend Personen pro Jahr, wobei sich diese Zahl bestimmt verdoppeln könnte. Die Einstellung dieser ausländischen Arbeiterschaft begann vor einigen Jahren, vor allem in den Moschavim im Süden Israels, die ausgezeichnete Erfahrungen mit thailändischen Arbeitern machten. Parallel dazu entwickelte sich in Thailand die Nachfrage nach Arbeitsplätzen in Israel, und irgendwie enstand eine gewisse Tradition daraus. Die Thais werden in Israel sehr geschätzt, denn sie gelten als gute, fleissige und fähige Mitarbeiter. In der Regel werden sie für eine Dauer von elf Monaten, für welche sie eine besondere Arbeitsgenehmigung erhalten, in der Industrie, im Bauwesen und in der Landwirtschaft beschäftigt. Einige profitieren von ihrem Aufenthalt in Israel, um sich weiterzubilden, Kurse und Seminare zu besuchen. Die meisten dieser Leute sprechen englisch und verstehen sich bestens mit ihren israelischen Kollegen. In letzter Zeit haben einige Thais auch hebräisch gelernt, wodurch die Kontakte und ihre Arbeit erleichtert werden. Diese gut organisierten Arbeiter werden durch einige wenige Thais ergänzt, die in "chinesischen" Restaurants in Israel tätig sind. Welche Haltung nimmt Thailand zur politischen Situation im Mittleren Osten ein ? Es liegt den Thais aufgrund ihrer Einstellung fern, zu Fragen Stellung zu beziehen, die ihr Land nicht direkt betreffen. Die Staatspolitik konzentriert sich auf die Beziehungen zu den unmittelbaren Nachbarn, und die Ereignisse im Mittleren Osten spielen bei den Beziehungen zwischen unseren Ländern nur eine untergeordnete Rolle. Meiner Ansicht nach möchte sich Thailand nicht allzu sehr in die Probleme dieser Region einmischen. Dazu kommt die Tatsache, dass Thailand der ASEAN angehört und dass drei Mitglieder dieser Vereinigung - Indonesien, Malaysia und Brunei - mit uns im Moment keine diplomatischen Beziehungen unterhalten. Ich denke, dass Thailand diese Faktoren bei der Entwicklung ihrer Beziehungen zu Israel mitberücksichtigt. Der jüdische Staat geniesst in Thailand dennoch grosse Beliebtheit und besitzt ein sehr positives Image. Der 5. Dezember ist nicht nur Nationalfeiertag, sondern auch der Geburtstag des Königs. Zu diesem Anlass hält letzterer eine wichtige Rede, welche das Leben und die Entwicklung des Landes und seiner Einwohner während des darauffolgenden Jahres bestimmt. 1992 erwähnte seine Majestät ausführlich seine Begegnung mit der verstorbenen Golda Meïr und betonte, wie sehr er mit der Zeit ihre Einstellung zu bestimmten Dingen zu schätzen gelernt habe. Das thailändische Königshaus besitzt grossen, nicht zu unterschätzenden Einfluss. Diese jährlich stattfindende Rede wird nicht nur im Radio und Fernsehen übertragen, sondern auch in Buchform veröffentlicht und im ganzen Land verkauft. Es ist daher von einiger Bedeutung, dass Israel als einziges Land in dieser Rede erwähnt wurde. Ich möchte ebenfalls darauf hinweisen, dass der Kronprinz, die beiden Prinzessinnen und die Schwester des Königs vor kurzem nach Israel gereist sind. Auch der Generalstabschef der thailändischen Armee hat unserem Land letzthin einen offiziellen Besuch abgestattet. Welche Beziehungen pflegen Sie zur jüdischen Gemeinde in Bangkok ? Es gibt eigentlich keine thailändischen Juden. Die gesamte Gemeinde zählt zweihundert Menschen, hauptsächlich Geschäftsleute, die zumeist im Edelsteinhandel tätig sind. Seit kurzer Zeit haben wir einen sehr energischen Rabbiner der Lubawitscher Bewegung, der im Gemeindezentrum gemeinsame Aktivitäten jeder Art und auch koschere Nahrungsmittel organisiert. Ich versuche, den regelmässigen Kontakt zwischen der Botschaft und der Gemeinschaft zu pflegen. Wir veranstalten diverse Abende, Sedarim usw. Ich betrachte mich nicht nur als Botschafter Israels in Thailand, sondern auch als Botschafter der jüdischen Gemeinschaft. Der Gemeindevorstand tritt einmal monatlich zusammen, und an diesen Versammlungen nimmt immer ein Vertreter der Botschaft teil. Ich setze alles daran, um diese Verbindung zwischen Gemeinde und Botschaft zu verstärken. Sie fungieren ebenfalls als Botschafter Israels in Kambodscha, obwohl sie nicht in diesem Land leben. Wie beurteilen Sie die Beziehungen zwischen diesen beiden Ländern ? Die diplomatischen Beziehungen zwischen Kambodscha und Israel wurden Anfang 1994 wiederhergestellt. Wir besassen bis 1975 eine Botschaft in Pnom Penh, doch die Beziehungen wurden nach der Machtübernahme der Kommunisten abgebrochen. Der stellvertretende Premierminister und der Aussenminister Kambodschas haben Israel bereits einen offiziellen Besuch abgestattet, in dessen Verlauf sie das ganze Land besichtigten und zahlreiche Projekte für wirtschaftliche, touristische und landwirtschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnet haben. Gegenwärtig befinden wir uns in der Einführungsphase der verschiedenen Projekte. Die wirtschaftliche Situation Kambodschas ist sehr schwierig, da die gesamte Infrastruktur während des Krieges zerstört wurde. Die Wasserversorgung muss wieder gesichert werden, und wir können unsere langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet mit Kambodscha teilen. Alle unsere Tätigkeiten in diesem Land werden zur Zeit von Bangkok aus durchgeführt; die nächste Etappe wird jedoch aus der Entsendung einer Untersuchungsmission bestehen, um die möglichen Bereiche der technischen Zusammenarbeit abzustecken. Kambodscha besitzt nur sehr wenige Botschaften überall in der Welt, und die Eröffnung einer Botschaft in Israel ist nicht vorgesehen, so dass einer der kambodschanischen Botschafter in Europa auch als nicht in Israel lebender Botschafter akkreditiert werden wird. |