Die Kunst rund um das Sukkot Fest | |
Von Jennifer Breger | |
Die mit Sukkot verbundene Kunst beginnt mit der Sukka, dem Lulav und dem Etrog. Als die Rabbiner den Vers im zweiten Buch Moses (Exodus) betrachteten: "Das ist mein G'tt, ich will ihn preisen... ", fragten sie sich, wie einfache Sterbliche G'tt verherrlichen können und fanden als Antwort darauf das Konzept "Hiddur Mitzwa", das folgendermassen beginnt: "stelle zu Seiner Ehre eine wunderschöne Sukka her, einen schönen Lulav usw." (Talmud Bavli, Schabbat 133b). Traditionsgemäss stand immer der Etrog im Mittelpunkt der Suche nach dem "perfekten Etrog" zur Durchführung der Mitzwa, und liess Menschen, die sonst keinen besonderen Wert auf Details legen, zu leidenschaftlichen Prüfern des Pittam (holzähnlicher Auswuchs am oberen Ende der Frucht), der Schoschanta (Knoten am Ende der Pittam) und des Ukatz (Verbindung zum Stiel) bei der Frucht werden, die sie erwerben wollten.
Der Etrog und der Lulav galten in der jüdischen Geschichte schon immer als bedeutende, sichtbare Symbole des Judentums und sind daher auf makkabäischen Münzen, Mosaiken in Synagogen und Steinfriesen zu finden. Wenden wir uns nun der Sukka selbst zu: die meisten dieser provisorischen Schutzhütten wurden nicht als Kunstwerke geschaffen, obwohl hier einige Ausnahmen auftreten und es zu jeder Zeit neben dem von Kindern für ihre Familie hergestellten Schmuck verschiedene Varianten der Sukka-Dekoration gab. Leider haben die Verzierungen und Dekorationen, die meist aus Papier und Pergament bestanden, nur selten dem Zahn der Zeit und der Abnutzung widerstanden. Die wenigen, die uns aus früheren Jahrhunderten überliefert wurden, sind daher besonders wertvoll. Für die Wände der Sukka wurde unterschiedliches Material verwendet. In der Türkei und wahrscheinlich in vielen anderen Ländern bestanden sie aus Stoff, der auf einen hölzernen Rahmen gespannt wurde; daran wurde das "Sechach", das Dach, befestigt, der den wichtigsten Teil der Sukka darstellt. Einige wenige, aus den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts stammende Sukkot waren aus Holz und konnten zusammengelegt werden. Die berühmteste kommt aus Fischach in Süddeutschland und befindet sich heute im Israel Museum in Jerusalem. Sie besteht aus numerierten Brettern und Balken, so dass sie jedes Jahr wieder zusammengesetzt werden konnte; sie weist Malereien in lebhaften Farben auf, die Moses auf dem Berg Sinai, Elias und die Stadt Jerusalem mit dem Tempel und der Kotel darstellen, sowie eine weltliche Szene mit einem alten Mann, der auf die Jagd geht, während seine Frau vor dem Haus auf ihn wartet. Eine weitere dieser zusammenlegbaren Sukkot wurde 1988 in Amsterdam an einer Auktion verkauft. Ein nicht bestätigtes Gerücht besagt, dass sie vom geplanten neuen jüdischen Museum in Paris erworben wurde. Sie besteht aus 37 numerierten Brettern und stammt wohl aus Österreich oder Süddeutschland, wo sie um 1810 entstanden ist. Die Dekorationen leuchten in sehr kräftigen Farben und umfassen auch eine Darstellung der Zehn Gebote in einem Schild, über dem eine mit Juwelen besetzte Thora-Krone schwebt. Der hebräische Text wurde in sehr schöner Schrift verfasst und beweist, dass er von einem Juden geschrieben wurde. Eine Darstellung von Jerusalem und seiner Umgebung zeigt die Kotel und daneben die zwei Moscheen, aber auch die Ansicht eines Dorfes in einer Berglandschaft. Die Malereien sind umgeben von ebenfalls gemalten Säulen, Pfeilern und Blumenvasen. Hauptthema ist, wie bei zahlreichen Sukka-Dekorationen, die Erlösung und die Rückkehr nach Zion. (Der Zusatz "Harachaman" zum "Birkat Hamason" vergleicht die Sukka mit dem wiedererbauten Haus Davids in der Zukunft, und das Gebet, das beim Verlassen der Sukka gesprochen wird, erinnert an die letzte Sukka zur Zeit des Maschiach, die aus dem Versteck des "Leviathan" entstanden ist). Es gibt zahlreiche Sets von Wänden aus Papier oder Holz für Sukka-Dekorationen, die oft mit Illustrationen in Wasserfarben von biblischen Gestalten und Szenen geschmückt sind. Einzelne Dekorationsteile für die Sukka sind selten, da viele von ihnen nicht überlebt haben. Einige, die uns überliefert wurden, scheinen Teil eines Ganzen gewesen zu sein, wie beispielsweise italienische Papierwände mit Sukkot-Texten und -Motiven, die oft auch Verse aus den wichtigsten Psalmen beinhalten. Sehr oft wird der Vers aus dem dritten Buch Moses (Levitikus) 23,42 zitiert "Sieben Tage sollt ihr in Laubhütten wohnen". Eine Papierdekoration, die von Israel David Luzzato um 1700 in Italien hergestellt wurde und sich heute im Jewish Museum in New York befindet, hat die Zeit höchstwahrscheinlich unbeschadet überstanden, weil sie auf Leinwand geklebt wurde. Sie weist in winziger Schrift das gesamte Buch Kohelet auf, das an Sukkot gelesen wird. Uns sind auch aus Papier ausgeschnittene Dekorationen aus dem 18. Jahrhundert, einige aus Pergament und andere aus Stoff bekannt. Die berühmtesten Sukka-Dekorationen sind zweifellos die Uschpisin - Bilder und Namen der biblischen Gäste, die der Überlieferung gemäss jeden Abend in die Sukka eingeladen werden. Diese Tradition wurde hauptsächlich von den Kabbalisten und Chassidim in Osteuropa und Eretz Israel eingeführt. Eingeladen werden Abraham, Isaak, Jakob, Moses, Aaron, Josef und David. Der Begriff Uschpisin bedeutet in aramäischer Sprache Gäste - hospes auf Lateinisch - und bezieht sich in verschiedener Hinsicht auf die jüdische Tradition. Gemäss dem Buch Sohar wachen die Gäste über die Erfüllung der Mitzwa der Gastfreundschaft in der Sukka und segnen den Ba'al Habayit, so dass er vor dem letzten Gericht von Rosch Haschana besondere Verdienste erlangen kann. Die Mitzwa der Gastfreundschaft an Sukkot gleicht in mancher Hinsicht derjenigen an Pessach, wenn wir "Kol Dichfin" (Lasst alle Hungrigen kommen, damit sie essen) sagen und auch symbolisch die Tür öffnen, um Elias einzulassen. Der Zahl Sieben, die mehr bedeutet als nur die Anzahl Tage von Sukkot, wohnen ganz eindeutig kabbalistische Bedeutungsebenen inne. Diese Zahl ist im Judentum, wie in anderen Kulturen des Mittleren Ostens, von ganz besonderer Bedeutung und symbolisiert die 7 Säulen der Welt, die 7 Vorväter der Welt und der Nation, die 7 Generationen zwischen Abraham und Moses und die 7 Sefirot in der Kabbala (Freundlichkeit, Macht, Schönheit, Sieg, Glanz, Festigkeit und Hoheit). Der Begriff der Zeit des Messias wird hier versinnbildlicht mit den sieben Hirten des Erlösers. Der Platz in der Reihenfolge der Uschpisin, den Josef einnimmt, ist nicht festgelegt. Im Buch Sohar kommt er nach Aaron, da er Maschiach Ben Josef bedeutet, der in der Überlieferung vor Maschiach Ben David steht, und verkörpert kaum die eigentliche biblische Gestalt. In den meisten Machsorim erscheinen die Uschpisin in chronologischer Reihenfolge. Der jeweilige Gast des Tages wird vor der Mahlzeit mit dem entsprechenden, im Machsor zitierten Text zum Kommen aufgefordert "Kommt herein, erhabene Gäste...". Da diese Tradition von den Chassidim besonders geschätzt wurde, existieren zahlreiche Texte mit dem Titel "Seder-Uschpis", die je nach Rabbiner eine spezielle Liturgie beinhalten. Die Tafeln der Uschpisin werden unterschiedlich geschmückt. In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden in Jerusalem und in Ungarn viele Uschpisin gedruckt. Der Text bezeichnete die Reihenfolge der Uschpisin und enthielt auch Gebete, die in der Sukka gesprochen werden mussten; oft stellte die "Kotel" das Zentrum dar, umgeben von zahlreichen Abbildungen von geheiligten Stätten. In Amerika stellten manche Familien eine entsprechende Liste von weiblichen Uschpisin auf, die auch die Urmütter, weitere biblische Heldinnen und Frauengestalten aus der gesamten jüdischen Geschichte umfasste. Einer der faszinierendsten Kunstgegenstände der Sukka ist die aus Leinwand hergestellte Innenauskleidung einer Sukka (2,10 auf 9 m), die vor dem Zweiten Weltkrieg vom ungarischen Künstler Aryeh Steinberger in Budapest gemalt wurde. Dieses Kunstwerk befindet sich als langfristige Leihgabe im Museum "A Living Memorial to the Holocaust: Museum of Jewish Heritage", das voraussichtlich 1996 in New York eröffnet wird. (Dieses Museum für jüdisches Kulturgut möchte sowohl eine öffentlich zugängliche Gedenkstätte des Holocausts sein, als auch an das Leben der Juden vor und nach der Tragödie erinnern). Aryeh Steinberger war Ober-Schochet der orthodoxen Gemeinschaft in Budapest. Im Alter von 65 Jahren zog er sich zurück, um sich mit verschiedenen Kunstwerken zu beschäftigen, darunter auch mit dieser Sukka. Er begann in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts an ihr zu arbeiten und verbesserte und ergänzte sie bis zu seinem Tod 1942. Sie wurde jedes Jahr von seiner Familie benutzt. Während des Kriegs versteckte man sie im Keller der Dohany-Synagoge, doch nach der Befreiung wurde die Leinwand von der Familie geborgen und nach Amerika gebracht. Die Sukka weist Szenen aus dem ungarischen Strassenleben und aus anderen europäischen Städten auf, sowie biblische und zeitgenössische Persönlichkeiten und Szenen aus dem Land Israel. Am unteren Rand sind Szenen aus dem Sukkot-Fest, andere Sukkot und Juden dargestellt, welche die "vier Arten" segnen, das Waschen der Hände vorbereiten, das Brot segnen, sich zur Synagoge begeben, ausserdem auch eine Szene für jeden der Uschpisin. Die Sukka ist mit der Festliturgie beschrieben, zu der auch "Birkat Hamason" gehört. Der gesamte Text des Mischna-Traktats "Sukka", das traditionsgemäss während des Fests studiert wird, gehört ebenfalls zu den Inschriften. Der Farbenreichtum, die Vielfalt der Motive und die unzähligen Details machen diese Sukka zu einem ganz besonderen Gegenstand, der die lokalen Sitten und Gebräuche der Juden jener Zeit, aber auch biblische Szenen illustriert. Weitere jüdische Gegenstände der Sukkot-Feier sind zum Beispiel Zierteller aus Zinn, auf welchen oft Szenen des Fests eingraviert sind; als Vorlage dienen manchmal gedruckte Stiche wie beispielsweise diejenigen von Picart oder Kirchner. Dazu gehören ebenfalls für Sukkot beschriebene Kiddusch-Kelche und Geschirr, wie z.B. das Set aus Tellern und Obstschalen, die von einer jungen Frau namens Katherine Cohen mit Lulav und Etrog sowie mit einer hebräischen Inschrift bemalt wurden; sie schenkte sie 1910 der Gemeinde Mikveh Israel in Philadelphia, der ältesten Gemeinde Amerikas. Der bekannteste jüdische Gegenstand im Zusammenhang mit Sukkot ist jedoch zweifellos der Etrog-Behälter. Die Grundzüge des Gefässes für den Etrog sind nicht nur ästhetischer, sondern auch praktischer Natur. Der Etrog musste täglich zur Synagoge getragen und dabei davor bewahrt werden, dass seine Schönheit irgendwie Schaden nahm. Es bestehen keine Vorschriften der Halacha betreffend den Etrog-Behälter und die Einzelheiten seiner Herstellung sind auch nicht Gegenstand des jüdischen Rechts. Die ältesten überlieferten Etrog-Behälter wurden wahrscheinlich im 17. Jahrhundert aus Silber gefertigt und stammen aus deutschen Städten wie z.B. Augsburg. Einer von ihnen - aus dem Jahr 1670 - kann heute im Jewish Museum in New York bewundert werden. Er besitzt, wie zahlreiche Behälter aus Silber oder versilbertem Messing aus den darauffolgenden Jahrhunderten, die Form der Frucht und ihres Stiels. Sie werden oft mit einem Scharnier oder einem abnehmbaren Deckel versehen, einige von ihnen sind mit Stoff gefüttert, um den Etrog noch besser zu schützen. Ein aus Italien stammender Behälter des 19. Jahrhundert in der Form der Frucht wurde aus hellgelb bemaltem Alabaster gefertigt. Viele andere Behälter besitzen eine ovale oder rechteckige Form. Sie stammen meist aus dem frühen 18. Jahrhundert und sind Zuckerdosen nachempfunden. Vielleicht wurden sie sogar während des ganzen Jahres als Zuckerbehälter verwendet. Viele sind mit hebräischen Inschriften versehen, obwohl auf diesem Gebiet zahlreiche Fälschungen im Umlauf sind. Die Inschriften erweisen sich oft als sehr jung ! Aus Ländern wie Deutschland, Polen und Österreich haben aber echte Behälter bis heute überlebt. Als weiterer zweckentfremdeter Behälter werden manchmal Humpen mit Deckel oder Almosenstöcke verwendet. In manchen Fällen weisen die Etrog-Gefässe die Form von silbernen Körben mit Henkeln auf. In Marokko und anderen jüdischen Gemeinden Nordafrikas wurden Teekessel aus gehämmertem Blech umfunktioniert. Eine andere Variante sind silbergefasste Kokosnussschalen, die im 19. Jahrhundert vielerorts hergestellt wurden. Da der Etrog jeden Tag, mit Ausnahme des Schabbats, zur Synagoge transportiert werden muss, erweisen sich Beutel oder Taschen mit Griffen als eine sinnvolle Lösung für einen einfachen und sicheren Transport. Ein Beispiel dafür befindet sich im Museum für jüdische Geschichte in Amsterdam; der Beutel wurde aus Silberkordel und Chenille hergestellt und trägt das Wappen der Familie Pinto. Im 19. Jahrhundert schnitzten Handwerker in Eretz Israel Etrog-Behälter aus Holz, gelegentlich auch aus Stein, und verzierten sie oft mit Szenen aus Jerusalem und anderen heiligen Stätten. In unserem Jahrhundert setzte die Bezalel-Schule diese Tradition von Kistchen aus Olivenholz fort, wobei verschiedene Darstellungen heiliger Orte in das Holz geschnitzt werden. Viele zeitgenössische jüdische Künstler und Handwerker stellen Etrog-Behälter aus Silber und aus geschnitztem Holz mit Intarsien her, die einen schlicht und einfach, die anderen äusserst kunstreich. Ein vom Silberschmied Ilya Shor angefertigter Behälter ist mit den Zeichen des Tierkreises und den Namen der sieben Uschpisin verziert, während sich auf dem Deckel eine Familie in einer Sukka befindet. Ein ganz einfacher Beutel kann schon aus geknüpften oder geflochtenen Lulav-Blättern hergestellt werden. So könnte auch der Behälter für den Lulav, die Arovot und Hadasim dieses Jahres aussehen, wenn der Lulav des vergangenen Jahres immer noch vorhanden ist. Durch die Verwendung dieses einfachen Materials kann die im vergangenen Jahr vollzogene Mitzwa ausgedehnt werden ! Hat es nie schöne Behälter für den Lulav gegeben ? In der Vergangenheit wurden sie zum Teil aus Silber gearbeitet, doch sie erwiesen sich immer als zu gross und unhandlich beim Tragen; darüberhinaus stellte sich das Problem, den Lulav feucht zu halten, damit er nicht austrocknen konnte. |