Was nun... ?
Von Roland S. Süssmann
Ein Jahr nach der Unterzeichnung der Grundsatzerklärung zwischen der Regierung Itzhak Rabin und der Terroristenorganisation PLO stellt sich die grosse Frage nach den Vorgehensmöglichkeiten der konservativen Opposition. Um diese Frage eingehend zu beleuchten, haben wir mit Dr. BENJAMIN BEGIN gesprochen, dem Sohn des ehemaligen Premierministers, der als Abgeordneter der Knesset tätig ist und zu den herausragenden Persönlichkeiten des Likud gehört.


Bis heute wurde der erste Teil der Abkommen von Oslo und Kairo in den Gebieten mehr oder weniger verwirklicht, obwohl noch zahlreiche grundlegende Streitfragen ungelöst sind. Wie werden Ihrer Ansicht nach die folgenden Etappen durchgeführt werden ?

Das gegenwärtige Vorgehen wird mit Bestimmtheit in einer Sackgasse enden. Meines Wissens ist kein einziger Knessetabgeordneter davon überzeugt, dass der zweite Teil der Abkommen auch nur die geringste Chance auf eine erfolgreiche Verwirklichung besitzt. Niemand glaubt, dass es möglich ist, einen realistischen Vertrag abzuschliessen, dank dem die Bedingungen des Abkommens Gaza-Jericho auf das gesamte Gebiet von Judäa-Samaria ausgedehnt werden können. Ein grosser Teil der ersten Abkommen wurde ausserdem noch gar nicht konkret umgesetzt, wie beispielsweise die Frage der Präsenz palästinensischer Polizisten an den Grenzstellen zwischen Jordanien und Israel. Es müssen noch unzählige komplexe Probleme gelöst werden. Der Generalstabschef der israelischen Armee hat vor kurzem bewiesen, dass die in Gaza und Jericho getroffenen militärischen Absprachen unter keinen Umständen auf Judäa und Samaria übertragen werden können. Die Topographie, die Strassen und die Berge dieser Region sind lebenswichtig für die Sicherheit Israels, und ein erneuter Einsatz der Armee wäre mit enormen Risiken verbunden. Dazu kommt die Tatsache, dass die Jerusalem-Frage trotz aller Anstrengungen der Regierung, sie noch mindestens zwei Jahre aufzuschieben, heute im Zentrum der Debatte steht. Erinnern wir daran, dass Arafat sich anlässlich seines ersten offiziellen Besuchs in Gaza direkt an die arabischen Bürger des Staates Israel gerichtet und sie "vom Negev bis Galiläa" gesegnet hat. Damit hat er nur seine ursprüngliche Idee bekräftigt, die er am 13. September 1993 ausgesprochen hatte: "Lang lebe das freie arabische Palästina". Es steht eindeutig fest, dass dieses "Palästina" sich nicht auf Judäa und Samaria beschränkt, es umfasst ebenfalls das haschemitische Königreich und den Staat Israel. Am zweiten Tag seines Besuchs begab sich Arafat in das palästinensische Flüchtlingslager von Jabalya, wo er vor der Menge eine Ansprache hielt und mit ihr sang: "Mit unserer Seele und mit unserem Blut werden wir dich befreien, Palästina". Alle diese Elemente sowie die Tatsache, dass die Intifada nie wirklich aufgehört hat, führen uns zum Schluss, dass der heute stattfindende Prozess mit Bestimmtheit in eine Sackgasse führt, AUSSER wenn die gegenwärtige Regierung weiterhin in jeder Hinsicht eine Konzession nach der anderen einräumt, mit dem einzigen Ziel, den Grenzverlauf von 1949, auch in Jerusalem, wieder herzustellen. Nur unter dieser Bedingung werden die Araber sich schliesslich zur Unterzeichnung eines Abkommens bereit erklären, ohne dass damit jedoch der Frieden gesichert wird.


Nehmen wir an, die Rechte kehre wieder an die Macht zurück. Ist sie in der Lage zu erklären: "Wir anerkennen die PLO, diese Terroristenorganisation, nicht mehr, die mit ihr abgeschlossenen Abkommen sind ungültig und Israel erlangt auch in militärischer Hinsicht den Status quo ante". Oder ist die heutige Situation endgültig und unwiderruflich ?

Wir brauchen diese Erklärung gar nicht abzugeben, da die PLO den Kern der Abkommen von Oslo und Kairo bereits annulliert hat. Dazu möchte ich Joël Singer zitieren, den Rechtsberater des Aussenministeriums und juristischen Handwerker dieser Abkommen, der in einem Interview für eine israelische Wochenzeitung im vergangenen Juni betonte, dass Arafat selbst die Abkommen widerrufen habe, indem er in Johannesburg zum Dschihad gegen Jerusalem aufrief. Darüber hinaus verkündete der Kommandant der südlichen Region des Landes in der Öffentlichkeit, die Armee verfüge über genaue Pläne, um die autonomen Gebiete von Gaza zurückzuerlangen, falls sich dies als notwendig erweisen sollte. Wir sollten nicht ausser acht lassen, dass die zur Vernichtung Israels aufrufende PLO-Charta trotz aller eingegangenen Versprechungen in keiner Weise abgeändert wurde und immer noch gültig und in Kraft ist. Noch vor kurzem betonte der Generalstabschef General Ehud Barak, dass die Ziele und Aktionen des Fatah, der PLO und des Hamas miteinander identisch seien.


Was unternimmt die Rechte konkret, um das Schlimmste zu verhindern ?

Selbst wenn ich bei meiner Beurteilung bescheiden bleibe, denke ich, dass es uns gelungen ist, unter sehr erschwerten Bedingungen bei zahlreichen Israelis ernsthafte Zweifel im Hinblick auf den Erfolg des Friedensprozesses aufkommen zu lassen. Die Linke hat einfaches Spiel, es ist sehr leicht, rosige Aussichten mit dem Ziel eines endgültigen Friedens und eine ruhige und optimistische Zukunft vorzugaukeln. Es ist dagegen sehr viel schwieriger, die Menschen davon zu überzeugen, dass die heutige Situation unvermeidlich in eine düstere, unsichere Zukunft hineinführt. Wie simpel ist es, die Rechte als "Kriegshetzer" zu bezeichnen, die "den Frieden ablehnen", doch es fällt uns ausserordentlich schwer zu sagen, "nein, das kommt nicht gut heraus". In Europa ist es einer Gruppe unter der Leitung von Winston Churchill in zwanzig Jahren nicht gelungen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass der Vertrag von Versailles nichts anderes war als ein provisorischer Waffenstillstand. Wir haben es hingegen in weniger als zwanzig Monaten geschafft, die Einstellung der öffentlichen Meinung zu ändern: die anfängliche Euphorie über die Abkommen von Oslo hat sich allmählich in Misstrauen und schliesslich in eine sehr tiefsitzende Ablehnung des gesamten Prozesses verwandelt.


Glauben Sie, dass die Regierung diese Art von Zweifel im Volk miteinbezieht ?

Anfang Juli fand in Jerusalem eine Demonstration mit über 150'000 Teilnehmern jeder Herkunft statt. Gegenwärtig besitzt, so glaube ich, kein Vorgehen direkte Auswirkungen. Eine Demonstration wie diejenige vom 2. Juli wirkt sich indirekt aber sehr stark aus, auch wenn das Ergebnis erst mit der Zeit sichtbar wird. So wurde beispielsweise von 13 Abgeordneten der Arbeitspartei eine von der Linie abweichende politische Bewegung namens "Der dritte Weg" ins Leben gerufen. Obwohl zwischen uns und diesem neuen Trend grundlegende ideologische Meinungsverschiedenheiten herrschen, stellt er für die Öffentlichkeit, die Regierung, die Arbeitspartei und Itzhak Rabin ein deutliches Zeichen dar. Seine Anhänger schlagen warnende Töne an: "Halt, nicht so schnell, überlegt es euch gut und werft euch nicht blindlings in die Arme der Terroristen und Verbrecher der PLO". Diese Initiative geriet erst dann ins politische Scheinwerferlicht als sich deutlich herausstellte, dass die breite Öffentlichkeit die Öffnung, die Verhandlungen und die Abkommen mit der PLO nicht guthiess. Dies zeigt sehr gut, dass die Reaktionen indirekt erfolgen. Die Tatsache, einen aussenstehenden Kreis zu überzeugen, der dem eigentlichen politischen Geschehen fern steht, wirkt sich mit der Zeit auf einen engeren Kreis aus, der noch etwas später die Möglichkeit besitzt, gezielten politischen Druck zunächst innerhalb der Partei, dann auf die Minister auszuüben. Meiner Ansicht nach ist keine Demonstration, keine Aktion sinnlos. Alles wird Früchte tragen und jede Art von derart investierter Energie führt im entsprechenden Augenblick zum Erfolg.


Trotz aller Unmutsbezeugungen in Israel scheint die Regierung freie Hand zu haben, um ihren Plan zu Ende zu führen, d.h. den Grenzverlauf von 1949 wieder herzustellen. Einer der oft verwendeten Argumente zur Rechtfertigung des gegenwärtigen Prozesses besteht aus der Behauptung, es bestünde keine Alternative. Falls die Rechte - rein hypothetisch - wieder die Macht erlangt, was würden Sie vorschlagen ?

Unser Angebot an die arabische Welt beschränkt sich auf eine einzige, in den Abkommen von Camp David sehr klar umrissene Formel. Es handelt sich dabei um das einzige konkrete Vorgehen, das sowohl Grosszügigkeit und Vorsicht in sich vereint. Es ermöglicht der arabischen Bevölkerung aus Judäa, Samaria und Gaza ihren Alltag unabhängig zu verwalten, und zwar mit Hilfe eines Verwaltungsrates mit Rechtsprechungsbefugnissen in Bezug auf die Einwohner. Israel bewahrt seinerseits die juristischen Befugnisse über den Boden und ist allein für Fragen der Sicherheit zuständig. Das Abkommen von Oslo widerspricht diesem Konzept diametral. Ein Teil unseres Sicherheitsdienstes wurde nämlich der Terroristenorganisation PLO zur Verwaltung abgetreten. Wir bleiben jedoch zwei Grundsätzen treu: dem Recht der Juden auf ihr Land und ihre nationale Heimat, und dem Recht des jüdischen Staates auf Sicherheit. Wir beharren auf der Tatsache, dass beide Elemente eng miteinander verbunden sind. Heute machen wir die Erfahrung, dass versucht wird, beide voneinander loszulösen und das Land unserer nationalen Heimat in fremde Hände zu legen, was der Übertragung an Terroristenorganisationen gleichkommt. Unter diesen Umständen kann die Sicherheit Israels natürlich keinesfalls gewährleistet werden. Wir stellen jetzt bereits fest, dass Gaza und Jericho allmählich in Schutzburgen für Verbrecher verwandelt werden, die dort völlig straffrei Unterschlupf finden. Es sind von Israel verurteilte Terroristen, die infolge der Abkommen freigelassen wurden, und Personen, die der Teilnahme an jüngsten terroristischen Anschlägen verdächtigt werden. Israel kann sie weder strafrechtlich verfolgen noch sie verhaften, da der Armee der PLO in diesen Regionen die militärische Gewalt übertragen wurde. Auf diese Weise kann man unter Umständen mit einer gewissen Beruhigung der terroristischen Aktivität rechnen, solange die Regierung eine Konzession nach der anderen gewährt, obwohl fast jede Woche Juden zum Opfer eines Mordanschlages durch Messer oder Schusswaffe werden. Die Intifada ist nicht tot, ich fürchte vielmehr, dass sie sehr viel rascher zu neuem Leben erwacht, als wir erwartet haben, und nicht nur von den Palästinensern ausgeht, sondern auch von den israelischen Arabern.



Wie sehen Sie persönlich die letzte Begegnung von Itzhak Rabin und König Hussein ?

Ich beurteile sie als eine positive Geste Jordaniens; auch die Kriegsverzichtserklärung stellt einen bedeutenden Schritt in eine vielversprechende Richtung dar. Die Tatsache, dass König Hussein der öffentlichen Bekanntmachung seiner Beziehungen zu Israel zugestimmt hat, muss den allerersten offen und direkt geführten Verhandlungen zwischen Jordanien und Israel zugeschrieben werden, die aufgrund der Initiative der damals von Itzhak Schamir geleiteten Likud-Regierung am 31. Oktober 1991 in Madrid stattfanden. Noch ist der Zeitpunkt nicht reif, um mit Bestimmtheit zu sagen, ob die Erklärung von Washington letztendlich zu einem Friedensvertrag führt. Der jordanische Aussenminister hat deutlich gesagt, dass ein Frieden "global" sein müsse, dass er mit anderen Worten nicht ohne Syrien abgeschlossen werden könne.


Zwischen Israel und Jordanien sind Gespräche über Gebietsfragen und Kooperation im Gange. Welcher Punkt stellt in Ihren Augen das grösste Hindernis bei den Verhandlungen dar ?

Es existiert eine Frage, deren Lösung die Jordanier schlichtweg verweigert haben. Es handelt sich um alle Probleme im Zusammenhang mit der genauen und endgültigen Festlegung der Grenzen zwischen beiden Staaten in der Region des Jordans, im Norden des Toten Meers bis zum Tal von Beth Shean. Obwohl ihre Gründe bis heute nicht sehr einleuchtend sind, kann man davon ausgehen, dass die Jordanier noch die Absicht hegen, eine Art Konföderation zwischen diesen Gebieten und den Regionen östlich des Jordans zu schaffen. Es ist undenkbar, mit Jordanien einen Friedensvertrag zu unterzeichnen, solange diese Frage noch ungeklärt ist, obwohl einige unserer gegenwärtigen führenden Politiker davon ausgehen, dass nur die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Bedeutung ist, selbst wenn dieser ein Fragezeichen beinhaltet, das sich nur als Danaergeschenk für künftige Generationen herausstellen kann. Die Verhandlungen mit den Jordaniern werden folglich Schritt für Schritt erfolgen und sich als lang und zäh erweisen.


Was halten Sie vom Artikel, der Jordanien eine gewisse Entscheidungsbefugnis über die heiligen islamischen Stätten in Jerusalem verleiht ?

Dieser Punkt des Abkommens könnte meiner Ansicht nach schwerwiegende Folgen haben. Bis anhin ist es noch nie vorgekommen, dass die israelische Regierung der politischen Macht des haschemitischen Reiches offiziell formelle Befugnisse über islamische Heiligtümer in Jerusalem anerkennt. Dies ist absolut unzulässig, selbst wenn es zutrifft, dass die Jordanier hier eine bestimmte Rolle spielen und gespielt haben. So haben wir beispielsweise gestattet, dass die Kuppel des Felsendoms mit Hilfe jordanischer Finanzmittel neu vergoldet wurde. Es trifft ebenfalls zu, dass der Whakf, der islamische geistliche Rat, der die heiligen Stätten der Mohammedaner in Jerusalem und insbesondere den Tempelberg kontrolliert, von Jordanien finanziert wird. Der Vertragsartikel im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung widerspricht einer Verpflichtung, die unsere gegenwärtige Regierung gegenüber der PLO eingegangen ist. In einem Brief sichert Shimon Peres der PLO zu, dass sie als politischer Organismus eine nicht zu unterschätzende Rolle in bezug auf die Entscheidungsbefugnis über geistliche Stätten des Islams... und des Christentums übernimmt. Dieser Widerspruch stellt ein Problem dar, für das die Regierung Rabin eine Lösung finden muss. Schockierend und gefährlich wird die Angelegenheit jedoch durch die Tatsache, dass die israelische Regierung davon ausgeht, dass bestimmte Teile Jerusalems Gegenstand von Verhandlungen sein können ! Religiöse Stätten sollten ausschliesslich von religiösen und nicht von politischen Einrichtungen verwaltet und betreut werden. Die Übertragung dieser Befugnisse auf eine politische Organisation verleiht dieser automatisch eine legale Stellung in Jerusalem, wodurch die Souveränität Israels in seiner eigenen Hauptstadt unmittelbar eingeschränkt wird !


Nach jüngsten Attentaten in Buenos Aires und London weist alle Welt mit dem Finger auf den Hisbollah, auf den Iran und zum Teil auch auf Syrien. Glauben Sie, dass die PLO als Terroristenorganisation an diesen Anschlägen mitbeteiligt war ?

In einem allgemeinen Zusammenhang gilt, dass diese Anschläge im Namen des Heiligen Kriegs, des Dschihad, gegen die Ungläubigen und die Juden durchgeführt wurden. Die jüdischen Organisationen stellen als solche demnach legale Zielscheiben dar. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Yasser Arafat persönlich seit dem 13. September 1993 schon zweimal (einmal am 13. September 1993 am jordanischen Fernsehen, danach im Februar 1994 in der Moschee von Johannesburg) die Mohammedaner der ganzen Welt zum Dschihad aufgerufen hat, damit sie an seiner Seite um Jerusalem kämpfen. Mir ist nicht bekannt, ob die jüngsten Attentate eine direkte Folge seiner Aufrufe sind, doch es steht fest, dass beide Formen des Dschihads nicht voneinander losgelöst betrachtet werden können. Dazu kommt die Tatsache, dass die fundamentalistischen Terroristen, welche in den beiden Gebäuden des World Trade Centers in New York Bomben explodieren liessen, ein umfangreiches Werk bei sich trugen, das die Verwendung von Sprengstoff im Terrorismus beschreibt; dieses Buch wurde von einer unter dem Namen "Ataiëb" bekannten Person geschrieben und gezeichnet, niemand anderem als dem Befehlshaber der berühmten Streitkraft 17, dem sogenannten operationellen Flügel der PLO. Man kann also eindeutig davon ausgehen, dass die PLO am fundamentalistischen Terror auf weltweiter Ebene beteiligt ist. Ein Beweis für eine direkte und aktive Implikation der PLO in den Attentaten von Buenos Aires und London liegt jedoch nicht vor. Vielleicht hatten sie nichts damit zu tun. Man darf dennoch die weltweiten Verbindungen der Terroristenorganisationen untereinander und die Rolle der PLO dabei keinesfalls aus den Augen verlieren.