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Inhaltsangabe Politik Herbst 1998 - Tischri 5759

Editorial - Herbst 1998
    • Editorial

Rosch Haschanah 5759
    • Furcht und Freude

Politik
    • Man kennt den Schuldigen

Interview
    • Zeugnis der First Lady Israels I.E. Sarah Netanyahu
    • Jerusalem

Junge Leader
    • Tzachi Hanegbi

Judäa-Samaria-Gaza
    • Zwischenstation in Beth El

Analyse
    • Der Jom-Kippur-Krieg - 25 Jahre danach

Kunst und Kultur
    • Jüdische Bekleidung
    • San Francisco
    • Generationen von Liedern

Reportage
    • Jeruschalayim und Bucuresti
    • Überleben
    • Rumänische Begegnungen
    • Dynamik und Effizienz

Shalom Tsedaka
    • S.O.S. Orthodoxe Frauen

Ethik und Judentum
    • Schmerzen lindern - Mit welchem Risiko ?

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Man kennt den Schuldigen

Von Emmanuel Halperin, Jerusalem
Ende August wird in Hebron ein Jude ermordet, ein Rabbiner. Reaktion einer grossen israelischen Tageszeitung: die in dieser Stadt lebenden Juden müssen möglichst rasch ausgewiesen werden. Es wurde das Wort "ausweisen" gewählt, und nicht zum Beispiel "davon überzeugen fortzuziehen" oder "evakuieren", denn am Tag nach dem Mord liegt es einem daran, seine Meinung laut und deutlich kundzutun: die "Siedler" provozieren alle Probleme, das ist doch einleuchtend, wenn sie nicht da wären, würde man sie auch nicht töten.
Ein wenig später verletzt eine Explosion im Zentrum von Tel Aviv mehrere Menschen. Sollten eventuelle zukünftige Passanten "ausgewiesen" oder "evakuiert" werden? So weit ist es natürlich noch nicht gekommen, doch die Schuldigen stehen dennoch fest: es ist diese verantwortungslose Regierung, welche die Bedingungen von Yasser Arafat betreffend eine erneute Evakuierung von Judäa-Samaria ablehnt. Die Bombenleger sind bestimmt Palästinenser, die "verzweifelt" sind wegen der verzögernden Machenschaften dieser Unfähigen, die nicht zugeben wollen, dass die Osloer Abkommen einen durchschlagenden Sieg der zionistischen Denkweise verkörperten.
Die Katyuscha-Raketen, die kurze Zeit später von den schiitischen Milizen im Südlibanon abgefeuert wurden, landen in Kyriath Schmona und bewirken erneut einige Verletzte. Eindeutiger kann es gar nicht sein: einige Stunden zuvor hatte nämlich die israelische Armee einen Anführer dieser Milizen getötet. Was blieb Amal und dem Hisbollah also anderes zu tun? Sie mussten natürlich reagieren, denn es handelte sich um eine reine Provokation, Israel sucht den Eklat. Einmal mehr steht der Schuldige eindeutig fest.
Man kann einige Entscheidungen der Regierung Netanyahu kritisieren - manchmal sehr zu Recht -, ja sogar seine politischen Ansätze. Doch die fast globale Ablehnung, deren Opfer er ist - eine gemässigte Pariser Zeitung hat kürzlich den israelischen Ministerpräsidenten gar auf das gleiche Niveau gestellt wie den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic, der schwerer Kriegsverbrechen angeklagt wird, - zeugt von absoluter Hinterhältigkeit. Handelt es sich um eine vorübergehende Modeerscheinung oder um eine plumpe, leicht aufzudeckende Manipulation? Das wird sich herausstellen. Die mangelnde Seriosität, die Weigerung, die Probleme in ihrer Vielschichtigkeit wahrzunehmen, die oberflächliche, automatische, fast nachlässige Art dieser Anschuldigung stimmt nachdenklich. Sollte alles doch schwerwiegender sein, als es den Anschein hat?
Nehmen wir beispielsweise die Katyuscha-Affäre. Greift man nur einige Ereignisse heraus, die sich innerhalb weniger Stunden abspielten, gelangt man rasch zum Schluss, dass Israel zu verurteilen ist. Doch der Schlag, der gegen einen der militärischen Anführer von Amal beschlossen wurde, erfolgte im Rahmen einer Guerillatätigkeit, die seit Jahren anhält und, wie allgemein bekannt ist, schlagartig eingestellt werden könnte, wenn Syrien und Iran den schiitischen Milizen ihre Unterstützung entzögen oder den Abbruch der Gefechte anordneten.
Israel erklärt sich fast jeden Tag dazu bereit, den Südlibanon zu verlassen und macht in diesem Gebiet keinerlei territoriale Ansprüche geltend, kann sich jedoch - nach Ansicht seiner wichtigsten Militärexperten - nicht einseitig zurückziehen, wenn nicht ein Abkommen die Sicherheit seiner Bürger in Obergaliläa gewährleistet. Gibt es auf dieser Welt irgendeinen anderen Staat, der vernünftigerweise anders handeln könnte? Diese Politik wird von den israelischen Regierungen, seien sie rechts- oder linksstehend, schon seit jeher verfolgt. Die Feinde Israels rechnen jedoch kalt mit der Furcht zahlreicher Israelis, dass ihre Kinder in diesem idiotischen Krieg umkommen, und hoffen auf diese Weise die Regierung bezwingen zu können. Ist das nicht eine Binsenwahrheit? Wer aber macht denjenigen, welche die islamischen Milizen ausrüsten und unterstützen, einen Vorwurf? Israel allein, und vor allem die gegenwärtig amtierende Regierung, gehört an den Pranger gestellt.
Das Problem vertieft sich, wenn man feststellt, dass ein Teil der israelischen Opposition das Spielchen dieser sofortigen Anklage mitmacht und dabei nicht zugeben will, dass die Situation im Libanon kaum glorreicher aussah, als sie sich an der Macht befand (unter den Regierungen Rabin und Peres wurden zwei massive Vergeltungsschläge im Südlibanon durchgeführt, wobei der zweite die Katastrophe von Cana ausgelöst hatte, den Tod von über hundert libanesischen Dorfbewohnern). Es ist natürlich Aufgabe der Opposition zu kritisieren, doch dies sollte mit etwas mehr Zurückhaltung erfolgen.
Genau dasselbe Schema taucht anlässlich der Verhandlungen mit den Palästinensern betreffend den zweiten Rückzug auf. Während die Regierung Netanyahu hartnäckig verhandelt, um die Schäden in Grenzen zu halten, wie es dem Wunsch der Wähler entspricht und daher sowohl seine Pflicht als auch sein Recht ist, vertuschen die Kritiker in Israel alles, was auf der Seite der Palästinenser ungehörig oder beunruhigend ist.
Es geht weder darum, den Terrorismus zu bekämpfen - was nicht geschieht -, noch um die offensichtliche Verletzung der bestehenden Abkommen. Die Behörde von Arafat weigert sich weiterhin, die berüchtigte Charta entsprechend abzuändern welche die Existenzberechtigung Israels leugnet. Sie beteuert, diese Abänderung sei bereits erfolgt. Erst vor kurzem hat jedoch einer der Israelis, der an der Ausarbeitung der Osloer Abkommen beteiligt war, erstmals öffentlich zugegeben, dass die Charta nicht abgeändert wurde und dass Arafat aller Welt Sand in die Augen streut. Bis dahin beharrten die Verantwortlichen der Opposition darauf, man habe ihnen gute, redliche Ware geliefert, und warfen der gegenwärtigen Regierung vor, spitzfindig nach einem Haken zu suchen, um die Verhandlungen abbrechen zu können. Ist es aber wirklich so spitzfindig festzustellen, wie sehr der Hass auf Israel den Kindern in den palästinensischen Schulen von Gaza oder Nablus täglich eingetrichtert wird ? In welchem Ausmass die Forderungen nach einer " Endlösung " und die wiederholte Versicherung, der Zionismus sei schlimmer als Imperialismus und Rassismus, in den Schulbüchern betont werden? Und das alles weitergetragen vom palästinensischen Fernsehen? Es drängt sich die Feststellung auf, dass diese schwerwiegenden und vielsagenden Tatsachen von den Medien überall auf der Welt und oft auch in Israel ignoriert werden.
Diese parteiische Berichterstattung steht im weiteren Zusammenhang von Propaganda und Absprechen einer Daseinsberechtigung. Jeder Beobachter der arabischen Medien stellt fest, dass die antiisraelische Hetze, selbst in Ägypten, mit dem Israel angeblich in einem Zustand des Friedens steht, nichts an Kraft eingebüsst hat. Doch diese Stimmungsmache geht mit dem Aufkommen der Islamisten immer öfter mit Verwünschungen gegen die Juden einher, die jeder aufrichtiger Leser nur als primären Antisemitismus bezeichnen kann. Man hat etwas gegen die Juden, sei es in Kairo oder Damaskus, in Teheran oder in Bagdad oder gar bei den israelischen Arabern der islamistischen Bewegung: verstümmelte Zitate aus dem Talmud, Protokolle der Weisen von Zion, Hervorhebung antijüdischer Verse aus dem Koran, alles wird verwendet, man geht sogar so weit, die Lewinsky-Affäre als ein Komplott des internationalen Judentums hinzustellen.
Daher konnte man die Reaktion der Taliban und des Sudans nach dem Abschuss amerikanischer Tomahawks voraussehen: dieses Unterfangen war natürlich das Werk des "amerikanischen Zionismus".
Dies alles kann einem ein Lächeln entlocken. Es handelt sich aber keineswegs um harmloses Geplänkel, denn das letzte Wort haben immer die Bomben. In dieser komplexen Situation hegt man nur einen einfachen Wunsch: dass die Kritik, die seitens der grossen Demokratien und der jüdischen Welt unablässig auf Israel und die Politik der gewählten Regierung niederprasselt, sich ab sofort öfter auf eine gründliche Analyse der Tatsachen, eine ehrliche Suche nach der Wahrheit stützt und sich nicht mehr von hasserfüllten Slogans und billigen Beschimpfungen nährt, die ein einziges Ziel haben : die Bezeichnung eines Schuldigen. Eines einzigen Schuldigen.

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