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Inhaltsangabe Kunst und Kultur Herbst 1994 - Tischri 5755

Editorial - September 1994
    • Editorial

Rosch Haschanah 5755
    • Der Klang des Schweigens

Politik
    • Die Rückkehr des Fanatismus
    • Risse und Spalten im politischen System

Interview
    • Was nun... ?
    • Die Wächter der Hoffnung

Ehrerbietung
    • Der Lubawitscher Rebbe

Judäa - Samaria - Gaza
    • Der Gazastreifen - Lebenswichtige Präsenz für Israel
    • Die Jüdischen Frauen des Gazastreifens

Kunst und Kultur
    • Die Kunst rund um das Sukkot Fest
    • Der Kunstmarkt in Israel
    • Mela Muter (1876 - 1967)

Analyse
    • Der Islam in der Politik des Mittleren Ostens
    • Die besten Freunde der Welt...

Israel - Thailand
    • Ausgezeichnete Zusammenarbeit
    • Frau Botschafter...

Wirtschaft
    • Konstanter Fortschritt

Ethik und Judentum
    • Ein neues Jahr - Aber welches ?

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Mela Muter (1876 - 1967)

Von Oscar Ghez, Präsident und Gründer des Museums
Mit grosser Freude habe ich erfahren, dass in der nächsten Ausgabe von SHALOM ein Artikel über die Malerin MELA MUTER veröffentlicht werden soll. Professor Boleslaw Nawrocki, Kunsthistoriker, Sammler von Werken polnischer Maler und Spezialist für Mela Muter, gehörte zu den persönlichen Freunden der Malerin, als diese noch in Polen lebte. Er hat mir mehrmals lange von ihr erzählt.
Mela Muter ist tatsächlich polnischer Abstammung und wurde am 26. April 1876 in Warschau geboren. Sie starb am 4. Mai 1967 im Alter von 91 Jahren in Paris. Melania Mutermilch, wie ihr wirklicher Name lautete, stammte aus einer angesehenen und begüterten jüdischen Familie, erhielt eine gründliche klassische Ausbildung und fiel bereits sehr früh durch ihre glänzende Begabung für Zeichnung und Malerei auf. Als ihre Professoren ihr nichts mehr beibringen konnten, ging sie, wie etwas später auch Kisling, 1901 nach Paris und besuchte dort die Kurse der Akademie Colarossi. Die schöne, intelligente und charmante Frau galt in den heroischen Tagen zu Beginn des Jahrhunderts sehr bald als eine der Persönlichkeiten von Montparnasse. Mit ihrem Liebreiz, ihrer Stimme voll slawischen Wohlklangs und ihrem Charisma bezauberte sie mühelos alle Künstler von Montparnasse, die ihr später auch Modell sassen.
1902, ein Jahr nach ihrer Ankunft, wurde ihr mit 26 Jahren die Ehre zuteil, zur Teilnahme am Salon National des Beaux-Arts eingeladen zu werden; 1905 stellte sie zum ersten Mal am Salon d'Automne und am Salon des Indépendants aus. Zu dieser Zeit galt es für eine Frau als ausserordentliche Ausnahme, diesem privilegierten Zirkel anzugehören. Diese Auszeichnung genossen ausser ihr auch Berthe Morisot, Suzanne Valadon und Marie Laurencin. Mit Ausnahme des Zweiten Weltkriegs, als sie aufgrund ihrer jüdischen Abstammung und ihrer linksgerichteten politischen Überzeugung in Avignon untertauchen musste, lebte sie immer in Paris und reiste nur, wenn es eine Ausstellung erforderlich machte.
Mela Muter, eine der ersten expressionistischen Malerinnen dieser Kunstrichtung, voller Originalität und Kreativität, malte farbenprächtige Landschaften, Blumen, Kompositionen jeder Art mit einer Kraft und einer aussergewöhnlichen dramatischen Intensität, um die sie Suzanne Valadon hätte beneiden können. Und vor allem malte sie Porträts. Die beeindruckende Liste der Persönlichkeiten, die ihr Modell wurden, stellte sie vor die Qual der Wahl: die Komponisten Eric Satie, Maurice Ravel, Albert Roussel (sein Porträt hängt im Museum von Nantes); die Schriftsteller Romain Rolland, Henri Barbusse, Georges Courteline, der Dichter und Nobelpreisträger von 1913, Hindou, Sir Rabindranath Tagore und Rainer Maria Rilke, der ihr bis zu seinem Tod 1926 im Wallis in enger Freundschaft verbunden blieb; der bekannte Architekt jener Zeit, Auguste Perret; Serge Lifar, der erste Tänzer der Opéra de Paris, und François Pompon, der berühmte Schöpfer von Tierskulpturen; Politiker, wie ihr Freund, der Kommunist Paul Vaillant-Couturier und schliesslich der Ministerpräsident Georges Clemenceau selbst. Der "Tiger", der bereits von Manet gemalt worden war, wurde nun auch durch den Pinsel von Mela Muter verewigt.
Da gab es auch den bereits berühmten Händler und Sammler Ambroise Vollard, dessen Protektion alle Maler jener Zeit, wie z.B. Cézanne, Gauguin, Picasso usw., suchten. Er schloss Mela sofort in sein Herz: er, der den besten Malern Modell stand (fast 100 Mal für Cézanne !), entwickelte eine spezielle Vorliebe für das Gemälde, das die junge Polin (sie erlangte die französische Staatsbürgerschaft 1927) im Jahr 1916 von ihm malte. In der Tat, bei diesem hinreissenden Porträt liess sie ihrer grossen Begabung freien Lauf. In der Tiefe des Blicks lässt sie die Charakterstärke ihres Modells hervortreten und gibt seinem psychologischen Wesen in einer Atmosphäre extremer Sensibilität Ausdruck; ihr Pinsel ist äusserst genau und gehorcht einem konsequenten, detailreichen Realismus. Sie verwendet ihre bevorzugte Technik, indem sie die Leinwand an bestimmten Stellen nicht übermalt. Im März 1927 schreibt der Schriftsteller Robert Rey, Generalinspektor der Schönen Künste, in einem achtseitigen Artikel: "Die von Mela Muter oft verwendete Technik erzielt sehr eigenwillige Effekte. Hin und wieder behält die Leinwand ihre weisse Unberührtheit, so dass der folgerichtige Traum der Erinnerung an diesen Stellen den Ton und die Farbe frei rekonstruiert.
Ihre Kunst, die sich keinesfalls mit Esoterik brüstet, ist zutiefst menschlich. Sie ist für jedermann zugänglich. Vielleicht haben zu Beginn die präzise Heftigkeit ihrer Ausführung, die rauhe Erscheinung, die Gewohnheit, nicht die gesamte Leinwand zu bedecken, das Publikum verwirrt. Mela Muter hat jedoch mit der zunehmenden Sicherheit ihrer seit langem ausgefeilten Technik eine sanftere und gefügigere Inspiration verliehen. Ihr wohnt nicht mehr die Furcht inne, sie während der Suche nach ihrer genauen plastischen Umsetzung endgültig zu verlieren. Daher arbeitet sie weniger hastig, präziser und kann sich den Luxus einer üppigeren Materie leisten, ohne dass ihr der Inhalt, den sie ausdrücken möchte, zu entgleiten droht."
Mela Muter erhielt 1937 die Goldmedaille der Weltausstellung und stellte in den Tuilerien und in allen grossen Galerien Frankreichs aus. Es fanden Ausstellungen in New-York, Pittsburg, Venedig, London und Warschau statt, die alle von demselben Erfolg gekrönt waren. Eine ihrer letzten Freuden erlebte sie drei Monate vor ihrem Tod, als vom 24. Januar bis zum 4. Februar 1967 in der berühmten "Hammer Gallery" von New York eine grosse Retrospektive ihres gesamten Werks gezeigt wurde. Ein Teil ihrer Gemälde befindet sich heute in Warschau in der Kollektion von Dr. Nawrocki, der ihr eine umfassende, fünfseitige Biographie im Grossen Biographischen Lexikon Polens widmete. Zahlreiche andere Werke sind in anderen Privatsammlungen zu finden. Die Gemälde von Mela Muter können jedoch auch in so renommierten Museen wie dem Museum für Moderne Kunst in Paris, Algier, Barcelona, Lyon, Le Havre, Nantes, Tours, La Rochelle, Belfort, Avignon und im Petit Palais von Genf bewundert werden.
Man kann mit Recht sagen, dass Mela Muter die weiblichen Malerinnen des 20. Jahrhunderts als überzeugende und positive Vorkämpferin vertreten hat.
Ganz zum Schluss möchte ich mit einer kleinen Anekdote aufwarten. Während des Zweiten Weltkriegs musste Mela Muter beim Einmarsch der Deutschen Paris verlassen und dabei ihr Atelier aufgeben, in dem sich in der Folge der Maler Dubuffet niederliess, der es zur grossen Bestürzung von Mela Muter nie wieder abtreten wollte ... !


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